OSTSEE-RUNDREISE
Eine Reise von Christel und Joachim Blanck – Sommer 2015
Statistik:
Seetage: 60
Hafentage: 23
Reisetage gesamt: 83
Strecke unter Segel: 1370,5 sm
Strecke unter Motor: 441,3 sm
Strecke im Schlepp: 0,0 sm
Strecke der gesamten Reise: 1811,8 sm
Schleusen (Anzahl): 2
Mastlegen (Anzahl): 0
Seegebiete/Wasserstraßen und Häfen/Ankerplätze
DEUTSCHLAND
Ueckermünde – Oderhaff
POLEN
Kaiserfahrt – Świnoujście – Pommersche Bucht – Dziwnów – Kołobrzeg – Darłowo – Łeba – Władysławowo – Hel
LITAUEN
Danziger Bucht – Klaipėda
LETTLAND
Liepāja – Pāvilosta – Ventspils – Irbenstraße
ESTLAND
Rigaischer Meerbusen – Möntu/Ins. Saaremaa – Ins. Abruka – Kuivastu/Ins. Muhu – Dirhami – Lohusalu – Finn. Meerbusen (W-licher Teil)
FINNLAND
Helsinki (HSK) – Borgå (Nav. Klubb) – Lovisa – Ins. Santalahti – Klamila – Ins. Haapasaari
RUSSLAND
Finn. Meerbusen E-licher Teil – Kronstadt (Marina Fort Konstantin) – Finn. Meerbusen
(E-licher Teil)
FINNLAND
Ins. Haapasaari – Finn. Meerbusen (W-licher Teil) – Kotka – Ins. Svartholm – Ankerbucht Lagune Byön – Porvoo – Helsinki (Nordhafen) – Porkkala – Kamparviken – Ekenäs – Archipelago Sea – Ins. Hitis – Ins. Jurmo – Åland Sea – Ins. Hellsö – Degerby/Ins. Degerö – Ins. Rödhamn
SCHWEDEN
Furusund – Stockholmer Fahrwasser – Stockholm (Lidingö Bosö Båtklubb) – Mälaren –
Vor Anker – Södertälje – Hells Fjärden – Ankerbucht Ins. Fifång – Ankerbucht Ins. Broken – Oxelösund – Snedskär (BSS) – Ankerbucht Ins. Lisselön – Flatvarp – Händelöp – Kalmarsund – Byxelkrog/Ins. Öland – Timmernabben – Kalmar – Bergkvara – Ins. Utklippan
DÄNEMARK
Bornholmsgatt – Ins. Christiansø – Svaneke/Bornholm
POLEN
Pommersche Bucht – Świnoujście – Kaiserfahrt
DEUTSCHLAND
Oderhaff – Ueckermünde
Reisetagebuch
Mit der Reisevorbereitung wurde frühzeitig begonnen, da das Reiseziel St. Petersburg außerhalb des Schengen-Raumes liegt und lange nicht mehr geübte Formalitäten in Bezug auf zu erwartende Grenz- und Zollkontrollen vorzubereiten waren. Das fing mit der Beantragung neuer Reisepässe an, ging über die Einholung der für St. Petersburg und die Beantragung der Visa. Ein neues Großsegel, über Winter angefertigt, ersetzte das in die Jahre gekommene, mittlerweile 13 Jahre alte Tuch. Um es vorweg zu nehmen, es hat alle Erwartungen erfüllt und steht hervorragend. Schließlich war das Boot am Abend des 15. Mai mit allen Vorräten versehen, Wasser und Kraftstoff vollgebunkert, so daß wir am 16. Mai zu einem Überprüfungstörn auf das Haff gehen konnten.
Da sich dabei keinerlei Probleme zeigten, ging es dann am 17. Mai auf die erste Tagesetappe nach Świnoujście. Der nächste Hafen Dziwnów zeigte sich als völlig neu gestaltet, statt des alten Fischerhafens präsentiert sich dem Segler eine neue Marina mit allem Notwendigen, was man braucht. Die 75-prozentige EU-Förderquote zeigt sich sowohl hier wie auch in Kołobrzeg und Darłowo als sehr gut in die Infrastruktur investiert.
Ärger gab es in Łeba, am Steg wurden wir von zwei Beamten des polnischen Grenzschutzes empfangen und uns wurde an Hand eines ausgedruckten Plottersheets vorgehalten, wenige 100 m in ein der Küste vorgelagertes Totalreservat des Słowiński-Nationalparks eingefahren zu sein. Meine Personalien wurden aufgenommen, ich mußte mich zu dem Vorwurf in Schriftform äußern und habe ausgeführt, das weder in der Papierkarte noch auf dem Seekartenplotter (Navionics-Karte mit frischem Update) ein Befahrverbot angegeben ist, weiterhin im Schutzgebiet auch Reusen stehen und am Ufer viele Fußgänger zu beobachten waren. Die Antwort der Grenzbeamten war, ich würde von der Nationalparkverwaltung hören. Es ist aber nichts nachgekommen.
Bei der Überfahrt von Hel nach Klaipėda über die Danziger Bucht mußten wir erleben, daß die Spannungen zwischen EU/NATO und Rußland auch für den Segler sicht- und spürbar sind. Hatten wir in der Abenddämmerung zwei Fregatten und ein U-Boot beobachtet, so wurden wir gegen 22.00 von einem russischen Grenzschutzboot über UKW angepreit und nach Kurs, Fahrziel, Schiffsname und Name Master abgefragt. Man gab uns zu verstehen, daß wir uns in russischen Territorialgewässern befänden und nicht angemeldet seien. Ich bin bisher vom Recht der feien Durchfahrt ausgegangen, konnte das aber wegen Verständigungsschwierigkeiten dem russischen Funker nicht vermitteln. Das Grenzschutzboot begleitete uns auf Parallelkurs unter mehrfacher Scheinwerferbeleuchtung noch eine Weile, drehte dann aber ohne weiteren Kontakt ab, wohl von unseren friedlichen Absichten überzeugt.
Beim Einlaufen nach Klaipėda gab es von der litauischen Border Guard über UKW die seit Jahren dort nicht mehr gewohnte Abfrage Name of ship, Flag of ship, Name of master, Number of crew, Last port. Am 26. Mai um 10.15 lagen wir endlich fest im Old Castle Port und konnten unsere müden Häupter zur Ruhe betten. Den folgenden Hafentag haben wir auch zu einem Ausflug auf die Nehrung benutzt und einen Spaziergang zum Hafen des Klaipėda Yachtklubs unternommen, in dem wir in vergangenen Jahren gerne gelegen haben.
Der sich dort bietende Anblick war uns völlig unerklärlich. Das Hafenbecken ist völlig erneuert, Betonpontons mit Auslegern, Beleuchtung, Elektranten und Wasseranschlüsse vom Feinsten, aber alles unbenutzt, Verbotsschilder an der Einfahrt und alles von Möwen vollgesch…. Die alten, früher vom Segelklub und seiner Jugendabteilung benutzten Baulichkeiten, die kleine Gaststätte und das Hotel sind dem Verfall preisgegeben. Vor dieser Investruine steht ein großes Bauschild, welches den Neubau einer Marina mit EU-Fördermitteln anzeigt.
Pāvilosta wie immer klein, angenehm mit erneuerter Steganlage, neu erbautem Servicehaus und dem freundlichen deutsch sprechenden Hafenmeister.
Durch die Irbenstraße führte die Fahrt weiter in den Rigaischen Meerbusen, wo wir als ersten estnischen Hafen Möntu/Insel Saaremaa ansteuerten. Hier konnten wir an dem hinter einer neuen Betonpier errichteten Yachtanleger festmachen. Die Bauarbeiten schienen noch nicht ganz beendet zu sein, wir lagen längsseits am rohen Beton, Stromversorgung noch provisorisch und Wasser nur mittels Kanister aus dem allerdings sehr ansprechenden Servicehaus, aber gut geschützt vor dem starken Süd war es ein angenehmes und schwellfreies Liegen.
Eine echte Überraschung bot dann am übernächsten Fahrtag der neue Yachthafen Kuivastu unmittelbar südlich des gleichnamigen Fährhafens, wo der Verkehr zwischen dem Festland und der Insel Saaremaa über den Moonsund abgewickelt wird. Freundlicher Hafenmeister auf dem Steg, großzügige moderne und saubere Anlagen, Seglerherz, was willst du mehr. Da der Hafenshop wegen der frühen Jahreszeit noch nicht geöffnet hatte, erbot sich der Hafenmeister, mich zum Einkaufen in den ca. 4 km entfernten Ort zu fahren. 5 Sterne für Kuivastu!
Von Dirhami, das sich auch mit einem neuen Servicehaus schmücken kann, versegelten wir nach Lohusalu, um von dort einen Abstecher per Bus nach Tallin zu machen. Ich versuchte hier die in Berlin nicht erhältlich gewesenen Übersegler Finn. Meerbusen westlicher und östlicher Teil zu bekommen, jedoch leider ohne Erfolg. Kurzerhand änderten wir dann den Törnplan und steuerten Helsinki an, was an und für sich erst für die Rückfahrt vorgesehen war. Hier haben wir bei dem renommierten Kartenhändler Jon Nurminen natürlich alles erhalten.
Unser Ziel war es, vom finnischen Ausklarierungshafen Insel Santio durch die russischen Territorialgewässer nach Vyborg zu laufen, um dort einzuklarieren, da die Distanzen Insel Santio-Vyborg und Vyborg-Kronstadt in Einzelstrecken kürzer sind als vom finn. Ausklarierungshafen Insel Haapasaari nach Kronstadt. Im Visum waren ja auch St. Petersburg und Vyborg vermerkt.
Ein Telefonat mit der KA-Repräsentantin in St. Petersburg sollte über die Machbarkeit dieses Plans Klarheit bringen, sie erklärte uns jedoch, daß Kronstadt der alleinige Einreisehafen sei und sie uns zur vereinbarten Zeit an der dortigen Grenzkontrollstelle erwarten würde. Also hieß es umdisponieren, die Insel Haapasaari anzulaufen, um dort am Dienstag, dem 16. Juni um 12.00 nach erfolgtem Ausklarieren aus dem Schengen-Raum abzulegen.
Die Nachtfahrt, nach Erreichen des St. Petersburger Seekanals auf stetem Ostkurs, war wegen des hohen Wellenganges trotz guten Raumschotwindes sehr ungemütlich. Christel ging es gar nicht gut, so daß ich, natürlich mit Autopilot-Assistenz, fast 17 Stunden allein Wache gehen mußte.
Endlich um 06.30 GZ an der Kontrollpier festgemacht, fing das Warten an. Die Paßkontrolle durch die Grenzer verlief unkompliziert und zügig, hier wurde uns jedoch schon eröffnet, daß eine Weiterfahrt nach St. Petersburg derzeit nicht möglich sei. Im hafennahen Konferenzzentrum findet ein international hochrangig besetztes „Ökonomisches Forum“ unter Leitung von Präsident Putin statt, weswegen der Hafen für Privatboote bis voraussichtlich Sonntag aus Sicherheitsgründen gesperrt ist.
Die Zollkontrolle zog sich fast 16 Stunden hin. Es gab Komplikationen, da wir ein in Rußland deklarierungspflichtiges Medikament aus Unkenntnis nicht in der Zollerklärung aufgeführt haben. Erst am nächsten Morgen um 01.30 Uhr konnten wir am Zollpier ablegen und gleich um die Ecke in die Marina verholen. Die KA-Repräsentantin Frau Bykowa hat uns und der ebenfalls von intensiver Zollkontrolle betroffenen Crew der deutschen Yacht „C.“ noch angeboten, am Nachmittag einen Kleinbus zu chartern und mit uns eine Sightseeing-Tour durch St. Petersburg zu machen, was wir dankend angenommen haben. Da wir mit dem Boot nicht nach St. Petersburg einlaufen konnten und wir mit der Bustour genug gesehen hatten, nutzten wir die nächsten Tage zur Erkundung der als Festung von Peter dem Großen gegründeten Hafen- und Marinestadt Kronstadt. Trotzdem haben uns die Zollprobleme mit befürchteten ordnungsrechtlichen Folgen keine Ruhe gelassen, so daß wir die vorzeitige Abreise aus Rußland beschlossen haben.
Also: Am Montag, 22. Juni nach nur einstündiger Paß- und Zollkontrolle, begleitet von guten Reisewünschen seitens der Grenzer haben wir Kronstadt verlassen und leider fast nur unter Motor nach 25 Stunden einschließlich Kontroll-Zwischenstopp auf Haapasaari Kotka erreicht. In Kotka haben wir uns ein Auto ausgeliehen, um in Mikkeli das jetzt museale Hauptquartier von Marschall Mannerheim während des „Winterkrieges“ und des „Fortsetzungskrieges“ zu besichtigen. Dieser Besuch hat unsere Geschichtskenntnisse erheblich erweitert. Dann führte uns unser Weg weiter durch die wunderschöne Landschaft der finnischen Südschären.
In Porvoo treffen wir Nachbarn, denn von unserem Balkon zu Hause blicken wir auf das Vereinsgelände des Cöpenicker Segler-Vereins. Sie sind hier mit ihrer Hiddensee „GHOST“ unterwegs. Nach einem Zwischenstopp in Helsinki ging unser Törn dann durch die Archipelago-See und über die Ålands nach Stockholm hinein. Auf der Ålandinsel Jurmo haben wir einen richtigen Schlechtwettertag mit Starkwind, Regen und unsommerlichen 15° C im Hafen verbracht. Im Hafenkiosk findest du eine unglaubliche Sammlung (leerer) Schnapsflaschen, es mögen wohl zwischen 500 und 1000 sein.
Für Stockholm haben wir uns auch wieder einen Hafentag gegönnt, der von uns schon mehrfach angelaufene Bosö Båtklubb auf Lidingö bot uns auch in diesem Jahr wieder angenehme von Vereinsatmosphäre geprägte Gastfreundschaft. Hier haben wir zum ersten Mal eine Bootswaschanlage gesehen, in welche das Schiff einschwimmt, um dann mittels rotierender Bürsten das Unterwasserschiff reinigen zu können. Über den Mälaren, durch die Schleuse Södertälje und das Fahrwasser Hells Fjärden ging es dann wieder in das Küstenfahrwasser, von den schwedischen Seglern stolz ihre „Blaue Reichsstraße № 1“ genannt. Hier mußten wir feststellen, daß immer mehr Häfen in Besitz der ProMarina AB übergegangen sind, welche mittlerweile selbst für schwedische Verhältnisse gepfefferte Preise verlangt. Dafür fanden wir eine Meile westlich von Arkösund auf der Insel Snedskär den Vereinshafen des Norrköping Bråvikens Segelsällskap.
Sehr angenehm, zum Festland gelangt man mittels einer kleinen handbetriebenen Seilfähre und moderates Liegegeld. Hier trafen wir auch – die Welt ist klein – unsere Stegnachbarn aus Ueckermünde mit ihrer 32er Najad.
Vom weiteren Weg Richtung Süden gibt es keine Besonderheiten zu berichten. Auf dieser von uns schon mehrfach abgesegelten Strecke versuchten wir immer, neue Häfen zu entdecken und haben das mit Händelöp, Timmernabben und Bergkvara auch geschafft. In Bergkvara begegneten wir Trecker-Willi aus Lauenförde Krs. Holzminden, der mit Trecker und kleinem Wohnwagenanhänger vom Nordkap zurückkam. So kann man auch Skandinavien bereisen. Am Abend genossen wir hier im kleinen Seefahrtsmuseum noch ein schönes Dixieland-Konzert. Utklippan, Christiansø, Svaneke/Bornholm und Świnoujście waren dann die letzten Stationen unserer Reise, bis wir am 6. August um 11.30 mit Passieren der Tonne HAFF wieder Deutschland erreicht hatten. Mit dem Brückenzug 15.00 im Stadthafen Ueckermünde ging dann diese schöne, teilweise auch anstrengende und an einem bestimmten Punkt enttäuschende Reise zu Ende.