Nach der Erstversorgung im DIAKO-Krankenhaus Flensburg stand vor uns nun die Frage, wie geht es weiter. Hamburg mußte zu unserem Bedauern natürlich abgesagt werden und wir faßten den Entschluß, das Boot in der Obhut des Hafenmeisters zu lassen und zur Weiterbehandlung und Rekonvaleszenzbeginn nach Berlin zu fahren. Schweren Herzens verließen wir am 4. Juli Flensburg und fuhren mit der Bahn nach Hause.
Nun hieß es, auch in Abhängigkeit vom Heilungsfortschritt, die Rückreise zu planen. Da mein behandelnder Arzt in Aussicht stellte, das Knie nach vier Wochen wieder leicht belasten zu können, nahmen wir für die Abreise aus Flensburg den 2. August in Aussicht. Udo und Uwe haben sich auf meine Bitte ohne Umschweife bereit erklärt, mit mir das Boot von Flensburg wieder nach Berlin zu bringen. Ich brauchte dann nur als Skipper und Navigator zu wirken, alle Arbeiten an Deck würden die beiden ausführen. Am Montag, dem 1. August brachte uns Christel mit dem Auto nach Flensburg, wir richteten uns an Bord wieder häuslich ein, verabschiedeten uns von Christel und ließen die gastfreundliche Marina Sonwik am 2. August um 09:45 Uhr achteraus.
Der erste gemeinsame Segeltag unserer Dreimannbesatzung bot beste Voraussetzungen für meine Segelkameraden, sich mit dem Schiff vertraut zu machen und die Sicherheitseinweisung durchzuführen. Ein SSW mit 2-3 Bft blies uns sachte über die Förde in die bereits erwähnte Ankerbucht im Hørup Hav. Am Folgetag auf dem Törn nach Bagenkop anfänglich wieder schönes Segeln, bis der Wind am Nachmittag wieder gegenan kam und Volvo für die letzten 8 sm ran mußte. Donnerstag, der 4. August ließ sich seglerisch auch wieder gut an, am Nachmittag kamen im Fehmarnsund jedoch kleinere Gewitter mit heftigen Böen auf, so daß ich mich zum Segelbergen entschloß. Wie richtig dieser Entschluß war, zeigte sich kurz nach Passieren der Fehmarnsundbrücke.
Urplötzlich drehte der Wind von 1 auf 8 Bft hoch, ein Gewittersturm brachte einen Starkregen mit einer Sichtweite von weniger als 20 m mit sich und Udo als Rudergänger stand im wahrsten Sinne des Wortes im Regen und hatte keine Sicht auf den Kurs. Ich saß unter dem Sprayhood, die Augen auf den Plotter gerichtet und gab ihm mit Handzeichen die Ruderbefehle zur Einhaltung des Kurses im betonnten Fahrwasser. Letztendlich ging alles gut, wir hatten keine Grundberührung und während des Festmachens in Großenbrode (YCB) kam schon wieder die Sonne raus. Am nächsten Tag hatten wir uns Ruhe verdient, ein Ost mit 1 Bft und Regen verleiteten geradezu zum Faulenzen. Meine Mitsegler erkundeten auf den Leihfahrrädern des Vereins noch den Ort und füllten unsere Vorräte auf. Der Sonnabend brachte wieder schönes Segeln, die 31 sm nach Kühlungsborn waren in 6 h 30 min heruntergespult. Uwe und Udo wollten hier Abends noch auf ein Bier in den Hafen, aber als auf ihren Wunsch nach einem Imbiß dazu die Offerte des Obers „Sylter Austern Royal“ kam, haben sie meine Schickimicki-Prognose für Kühlungsborn erst richtig realisiert und sind ungespeist zurück an Bord gekommen. Am Sonntag dann der Katzensprung nach Warnemünde, wieder Mittelmole, alles bestens.
Wegen der Kurortregelung, welche Lebensmittelgeschäften die Öffnung am Sonntagnachmittag erlaubt, konnten am Nachmittag noch Einkäufe getätigt und unsere Vorräte an Frischwaren ergänzt werden. Der Folgetag brachte uns nach Barhöft, leider zwang uns der schwache Wind, von den 54 sm 42 sm unter Maschine zu fahren. Von Barhöft zu dem idyllischen kleinen Hafen Puddemin auf Rügen (Erinnerung an Hans Wünsche) war die Fahrt durch den Strelasund wieder von langen Schwachwindphasen geprägt. Nach Wolgast am Mittwoch gab es zwar etwas mehr Wind, aber über den Greifswalder Bodden stand er wieder gegenan, so daß wir erst eingangs des Peenestroms das Tuch hochziehen konnten. Dafür segelte es sich am Donnerstag nach Ueckermünde wieder recht ordentlich, auf dem Haff machte das Segeln im freien Wasser auch wieder richtig Spaß. Ueckermünde verließ ich am nächsten Tag mit etwas Wehmut im Herzen. Hier fand die Bootstaufe unserer TEJA IV statt und die dort ansässige Stöcker-Werft war für mehr als ein Jahrzehnt de facto unser Heimathafen, von dem wir unsere unvergeßlichen Sommertörns bis in die entferntesten Ecken der Ostsee starteten, aber man muß einsehen, daß alles einmal ein Ende hat. Der letzte Segeltag über das Haff und die Odermündung war wiederum von reichlich Schwachwind geprägt, so daß einschließlich eines Tankstopps in Trzebież von den 43 sm bis Stettin nur 13 sm gesegelt werden konnten. Es bewahrheitete sich wieder mal das alte Seglerbonmot: Es gibt nur drei Sorten Wind: Zu stark, zu schwach oder aus der falschen Richtung.
Wieder in der NE-Marina festgemacht, wurden sofort die Vorbereitungen für das Mastlegen getroffen, do daß wir bereits am Sonnabend gegen Mittag die Fahrt über die Binnengewässer antreten konnten. Am Freitag hatte ich noch, aufgeschreckt wegen Anfragen aus der Heimat wegen Sperrungen von Wasserstraßen infolge des Fischsterbens in der Oder, ein Telefonat mit dem WSA Eberswalde geführt und zu meiner Beruhigung erfahren, daß der deutsche Teil der Westoder sowie die Friedrichsthaler Wasserstraße nicht gesperrt wären, die Sperrung beträfe nur die Schleusen Schwedter Querfahrt und Hohensaaten Ost, was uns nicht tangierte. Am frühen Abend nach 46 km dann im Sportboothafen Schwedt festgemacht. Am nächsten Morgen ohne Frühstück bereits um 06:50 Uhr abgelegt, gefrühstückt wurde dann umschichtig. Die Schleuse Hohensaaten West konnten wir wieder ohne Wartezeit passieren, meinen Dank per UKW nahm der Schleusenmeister freudig überrascht entgegen. Dafür mußten wir diesmal am Schiffshebewerk Niederfinow etwas über eine Stunde und an der Schleuse Lehnitz knapp zwei Stunden warten, aber von Lehnitz ist man das gewohnt. Gerechterweise muß man aber zugestehen, daß in dieser Schleuse bei einer durchschnittlichen Fallhöhe von 5,85 m bei jeder Schleusung zu Tal ein Wasserverlust von etwa 8.700 m³ eintritt und das WSA in diesem Jahr wegen der langen Trockenperiode ein Wassersparregime anordnen mußte. Nach 101 km auf der Logge und 14 h und 15 min haben wir dann spätabends an der Marina Havelbaude längsseits an einem Wohnschiff festmachen können, der Innenhafen war hoffnungslos überfüllt.
Am Montag wieder früh abgelegt, mußten wir vor der Schleuse Plötzensee eine Stunde warten, um dann gemeinsam mit der Berufsschifffahrt geschleust zu werden. Dafür ging es an der Mühlendammschleuse im Herzen Berlins wieder ganz schnell, wir konnten in die offene Schleuse einfahren. Auch hier ein UKW-Dank an den Schleusenmeister.
Um 15:40 Uhr haben wir schließlich am Heimatsteg im SC Argo festgemacht, herzlich mit Sekt und Küßchen von unseren Frauen begrüßt.
Damit ging eine Reise zu Ende, die so nicht geplant war.
Aber wie schrieb schon Schiller:
Doch mit des Geschickes Mächten
ist kein e’wger Bund zu flechten,
und das Unglück schreitet schnell…
Trotz allem, es hätte schlimmer kommen können. Da der Chronist jetzt diese Zeile niederschreibt, ist die Beweglichkeit des Knies wieder hergestellt und nach der Prognose meines Arztes ist nicht mit weiteren Behinderungen zu rechnen.
An dieser Stelle gilt mein ausdrücklicher Dank meinen Segelkameraden Udo und Uwe, ohne deren Hilfe ich das Schiff nicht so schnell und problemlos hätte nach Berlin bringen können, aber ihnen hat der Törn auch Spaß gemacht, führte er sie doch in ihnen vorher nicht bekannte Reviere.